Mathias Bechtel
Wohl in keinem zweiten Ort der Schweiz herrscht gegenwärtig so viel Dynamik in der Weinbauszene wie in Eglisau. Mittendrin und mitverantwortlich: Mathias Bechtel. Der gebürtige Bündner wohnt und arbeitet seit 15 Jahren im schmucken Zürcher Weinbau-Städtchen und hat viel zum Aufschwung beigetragen – und er hat noch viel vor.
Mathias Bechtel ist ein Aufsteiger in der Schweizer Weinszene. Nachdem der gelernte Winzer und Kellermeister mehrere Jahre bei namhaften Weingütern als Kellermeister tätig war, übernahm er 2014 seinen ersten Rebberg und machte sich selbstständig. Seither geht es Schlag auf Schlag – und immer aufwärts. Gault Millau kürte ihn 2019 zum «Rookie of the year». Heute bewirtschaftet er in Eglisau fünf Hektar und hat ein Ziel: das Optimum aus den erstklassigen Reblagen herausholen und dem Eglisauer Wein zu seinem verdienten Platz auf der Schweizer Weinlandkarte zu verhelfen.
Im Gespräch mit Urs Fischer erzählt Mathias Bechtel, was Eglisau so einzigartig macht, wie der Start in die Selbstständigkeit verlief und vor welcher Arbeit er sich gerne drückt…
Mathias im Gespräch
Mathias, wie kommt ein «zugezogener Bündner» im Weinstädtchen Eglisau zu einem eigenen Rebberg?
Ich war ja bereits vor meiner Selbstständigkeit sieben Jahre als Kellermeister in Eglisau tätig. In dieser Zeit habe ich wertvolle Erfahrungen gesammelt, die Region kennengelernt und mir wurde das grosse Potenzial der Toplagen hier in Eglisau bewusst. Zu dieser Zeit wurde ein Grossteil der Trauben noch nicht in Eglisau selber vinifiziert, sondern die Erzeugnisse wurden verkauft. Mir wurde bewusst, dass es hier in Eglisau grossartige Möglichkeiten gibt und so habe ich begonnen, Trauben aus den lokalen Rebbergen zu kaufen und zu verarbeiten. Dass ich ein «Externer» war, war vielleicht gerade meine Chance. Ich war unbelastet und hatte einen guten Draht zu den Rebberg-Besitzern, das war eine gute Basis. So kam eines zum anderen.
Eglisau ist ein wunderschönes Städtchen am Rhein und verfügt über eine der besten Reblagen im Kanton Zürich. Allerdings ist Eglisau – zumindest in der Zentralschweiz – noch nicht in aller Munde. Woran liegt das?
Einerseits hat sich der Eglisauer-Wein in den letzten Jahren nochmals stark entwickelt. Früher waren es eher einfachere Weine, die primär lokal vor Ort getrunken wurden. Gleichzeitig haben wir mit der Stadt Zürich einen Markt vor der Haustür, den es in einem ersten Schritt zu erobern galt. Und wie bereits gesagt wurde lange Zeit ein Grossteil des Eglisauer Traubenguts nicht in Eglisau selber verarbeitet und kam so auch nicht als Eglisauer Wein auf den Markt. Aber ich denke, dass wir in Eglisau in den letzten Jahren eine Weinstilistik entwickelt haben, die uns inzwischen auch über die Landesgrenzen hinweg konkurrenzfähig macht und uns überregionale Bekanntheit beschert.
Ich denke, dass wir in Eglisau eine Weinstilistik entwickelt haben, die uns inzwischen auch über die Landesgrenzen hinweg konkurrenzfähig macht und uns überregionale Bekanntheit beschert.
Was macht die Rebberge in Eglisau so einzigartig?
Wir profitieren von einem sehr spezielles Mikroklima. Der Rhein hier in Eglisau ist gestaut, was ein wenig für ein «See-Feeling» sorgt. Da es aber trotzdem noch ein fliessendes Gewässer ist, zieht es auch die Kaltluft ab. Das dient uns als Temperaturpuffer und hat uns in den vergangenen Jahren mehrmals vor Frost geschützt. Die letzten Ausläufer der Jura-Gebirgsbildung spalten die Gewitterfronten und schützen uns oft vor starken Gewittern. Dadurch ist es in Eglisau vielleicht etwas trockener, aber gerade für ältere Reben, die tief verwurzelt sind, ist das durchaus positiv. Die Reblagen befinden sich am steilen Rheinufer mit eher leichten Böden. Durch die steile Neigung und die leichten Böden erwärmen sich die Weinberge schnell, was uns hinsichtlich des Erntezeitpunkts etwas Spielraum ermöglicht und insbesondere für gehaltvollere Weine sehr spannend ist.
Der Rhein hier in Eglisau ist gestaut, was ein wenig für ein «See-Feeling» sorgt. Da es aber trotzdem noch ein fliessendes Gewässer ist, zieht es auch die Kaltluft ab. Das dient uns als Temperaturpuffer und hat uns in den vergangenen Jahren mehrmals vor Frost geschützt.
Über 50 % der Rebberge in Eglisau sind mit Pinot Noir bestockt. Warum?
Das ist historisch gewachsen. Und der Pinot konnte sich hier seither behaupten, was sich durch Top-Weine und auch verschiedene Auszeichnungen immer wieder bestätigt.
Vom Kellermeister zum Unternehmer. Was war die grösste Herausforderung oder Umstellung?
Die grösste Herausforderung ist sicher, den Traum nicht nur auszuleben, sondern auch davon leben zu können. 😉 Der Weg in meine Selbstständigkeit ist nicht nach dem klassischen Schema verlaufen, denn ich habe das Ganze etwas von hinten aufgerollt: Zuerst habe ich Traubengut zugekauft. In einer ersten Phase aus verschiedenen Gegenden, auch aus der Westschweiz. Damals war ich parallel noch als Kellermeister tätig. In dieser Zeit konnte ich meine eigene Weinstilistik entwickeln und auf dem Markt Fuss fassen. Als sich dann abzeichnete, dass ich in Eglisau etwas Eigenes aufbauen kann, habe ich mich mit der Vision selbstständig gemacht, Weine aus Eglisauer Trauben zu vinifizieren. 2014 konnte ich den ersten Rebberg übernehmen und danach ging es dann Schlag auf Schlag: 2017 konnte ich einen Keller übernehmen und 2019 habe ich mit dem Neubau des Kellers einen weiteren Meilenstein erreicht.
Und hatte dieser Wechsel zum Unternehmer Einfluss auf deine Weinstilistik?
Nein, eigentlich nicht. Mein etwas ungewöhnlicher Weg in die Selbstständigkeit hat es mir ermöglicht, parallel zu meiner Festanstellung von Anfang an meine eigene Weinstilistik zu entwickeln und auch step by step auf den Markt zu bringen. Zudem war eine meiner wichtigsten und besten Erkenntnisse als Unternehmer: Ich bringe nur die Weine an den Mann/die Frau, die mir selbst Spass machen. Das zeigte sich auch bei der Übernahme des Kellers, wo mir beispielsweise nahegelegt wurde, gewisse Eglisauer Wein-Bestseller unbedingt im Sortiment zu belassen. Es stellte sich dann aber schnell heraus, dass gerade eben diese Weine von mir gar nicht erwartet wurden und ich da meine ganz eigene Weinstilistik realisieren kann.
Natürlich hat sich meine Stilistik in den vergangenen Jahren weiterentwickelt und ich habe daran gearbeitet und sie verfeinert. Aber im Grundsatz bin ich ihr treu geblieben.
Als selbstständiger Winzer hast du einen sehr vielseitigen Arbeitsbereich (Keller, Rebberg, Administration, Vertrieb). Hand aufs Herz, vor welcher Arbeit drückst du dich gerne mal?
Das ist ganz klar der ganze administrative Bereich – da bin ich ein typischer Winzer. Aber es ist halt so: wenn du nicht steuerst, wirst du gesteuert. Und daher arbeite ich im Moment gerade eine Person ein, die mich in diesem Bereich unterstützt. So kann ich mich mehr auf meine Stärken konzentrieren.
Aktuell läuft im Vorderen Stadtberg – einer der bedeutendsten Reblagen in Eglisau – die erste Rebberg-Melioration seit über 30 Jahren im Kanton Zürich. Du bist da zusammen mit elf weiteren Winzern involviert. Kannst du uns kurz und einfach erklären, was wir uns unter einer Melioration vorstellen können?
Der Begriff sagt eigentlich schon viel – Amélioration heisst ja Verbesserung. Wir haben am Eglisauer Stadtberg viele, einzelne verwinkelte Parzellen zu drei grösseren Parzellen zusammengeführt und diese unter anderem mit einem Bewirtschaftungsweg besser erschlossen und neu terrassiert. Dadurch hat man zukünftig die Möglichkeit, den Rebberg effizienter und ökologischer zu bearbeiten und allfällige Schädlinge und Probleme gezielt und punktuell anzugehen. Die Melioration soll die Bewirtschaftung der sehr steilen Rebberge in Eglisau auch längerfristig sicherstellen, indem sie auch wirtschaftlich rentabel betrieben werden können.
Die Melioration soll die Bewirtschaftung der sehr steilen Rebberge in Eglisau auch längerfristig sicherstellen, indem sie auch wirtschaftlich rentabel betrieben werden können.
2019 wurdest du von Gault Millau als «Rookie of the year» ausgezeichnet. Was hat sich durch die Auszeichnung verändert?
Was sich verändert hat, ist schwierig zu sagen. Aber sie bedeutet mir sehr viel. Es ist aus meiner Sicht eine der grössten und unabhängigsten Bestätigungen, die es gibt. Sie sagt etwas über das Preis-Leistungs-Verhältnis und auch die Konstanz eines Weinguts aus. Daher hat es mich etwas erstaunt und umso mehr gefreut, dass wir hier als noch sehr junger Betrieb schon mithalten können. Das ist für mich die schönste Bestätigung für unsere tägliche Arbeit und freut mich sehr.
Du bist nun seit sieben Jahren selbstständig. Mit dem Neubau deines Kellers und der Rebberg-Melioration hast du bereits zwei Riesen-Projekte gestemmt. Was sind deine Pläne und Visionen für die nächsten Jahre?
Ich muss immer aufpassen, dass ich mir nicht zu viel vornehme. Bei mir kann ein kleines Vorhaben plötzlich ziemlich grosse Ausmasse annehmen… Von daher habe ich keine weltbewegenden Pläne. Ich möchte sicher meine Vision einer lokalen Trauben-Verarbeitung weiter vorantreiben. So, dass die Eglisauer Trauben auch wirklich hier bei uns in Eglisau verarbeitet werden. Für nächstes Jahr haben wir die Übernahme von drei weiteren Rebbergen in Aussicht. Mein oberstes Ziel aber ist es, das Maximum an Qualität aus diesen Toplagen herauszuholen. Also nicht mengenmässig noch wahnsinnig zu expandieren, sondern qualitativ immer besser zu werden und so mitzuhelfen, das Bewusstsein und Ansehen der Schweizer Weine weiter zu fördern.