Birgit Braunstein
Birgit Braunstein zählt in Österreich zu den Vorreiterinnen des biodynamischen Rebbaus: Bereits 1999 startete sie mit der Umstellung auf biodynamischen Anbau. Anna Fischer hat mit ihr über ihre Beweggründe, Naturwein und ihre Freuden gesprochen.
Anna Fischer war an der Prowein in Düsseldorf. Bei dieser Gelegenheit hat sie Birgit Braunstein getroffen und mit der Winzerin aus dem Burgenland über den biodynamischen Rebbau gesprochen. Zwei Frauen im Gespräch über Naturwein, frische, saftige Reben sowie das Umdenken in der Winzerszene.
Birgit im Gespräch
Anna: Birgit, du produzierst deine Weine im Einklang mit der Natur. Und das, seit du Wein machst – also schon eine ganze Weile. Nun ist die naturnahe Produktion in den letzten Jahren zu einem grossen «Hype» in der Weinszene geworden. Wieso?
Ich glaube es gibt zwei gute Gründe dafür. Wenn man die Natur beobachtet, hat sich diese stark verändert. Beispielsweise existieren rund 70 % der Vogelarten, welche es einmal gegeben hat, heute nicht mehr. Das gleiche sehen wir bei Insekten und Kräutern. Und diese Vielfalt ist nicht nur in der Natur verloren gegangen, sondern auch beim Essen und Trinken. Ich meine, alle Hamburger schmecken gleich auf der Welt. Und so hat sich das auch beim Wein entwickelt: Die Weine auf dieser Welt – und es gibt mittlerweile extrem viele Weine – sind sehr uniform geworden. Extrem perfekt, «gestylt» vielleicht auch. Man trimmt die Weine zu einer Stilistik hin, bei der alles immer gleicher wird und zum Schluss einfach die Vielfalt fehlt. Und dann kam eine Antwort – und für mich ist das der Naturwein. Eine Antwort von uns Winzern, dass man diesen Trend der Uniformität stoppt. Das ist aus meiner Sicht der eine Grund.
Der zweite Grund für die naturnahe Produktion ist wohl auch, dass in den Weingärten Grenzen erreicht wurden. Es gibt in der Natur ganz neue Bedingungen: viel heissere Sommertage, viel mehr Regen, heftigere Stürme und es sind neue Krankheiten entstanden. Das sorgt auch in den Weingärten für viel Ungleichgewicht. Die Natur zeigt uns auf, dass es fünf vor Zwölf ist. Und darum denken wohl nun auch viele nach: «Was ist hier passiert?», «Wie kann ich etwas ändern?», «Wie kann ich die Natur wieder gesünder machen oder unterstützen?» und «Wie stelle ich langfristig gesunde und gute Produkte her?». Also zumindest war das mein Ansatz – und zum Glück wird der auch von anderen Leuten angewandt.
Naturwein ist eine Antwort von uns Winzern, den Trend der Uniformität zu stoppen.
Anna: Du produzierst ja nicht «nur» biologisch, sondern alle deine Produkte sind Demeter-zertifiziert. Neu hast du zusätzlich noch eine Linie «Birgit Pur». Was ist der Unterschied zwischen dieser Linie und deinen anderen Weinen?
Alle unsere Weine sind biodynamisch, also nach Demeter-Richtlinien produziert, sowohl im Weinberg, als auch im Keller. Die klassischen Birgit Braunstein-Weine stehen für Weine mit viel Mineralität, klarer Frucht, Tiefgang und Langlebigkeit. Bei der «Birgit Pur»-Linie sollen diese Punkte natürlich auch alle eingefangen werden. Allerdings geht es hier um noch weniger Einsatz von Schwefel, längere Maischestandzeiten. Bei «Birgit Pur» ist dadurch eine gewisse Komplexität im Wein, die vielleicht noch mehr den Boden herausarbeitet und die Bodenbeschaffenheit der Rebberge so im Wein noch mehr zum Vorschein kommen kann.
Anna: Was ist denn die Freude daran, so zu produzieren? Gibt es Dinge, welche man nur erreicht, wenn man naturnahe produziert? Oder anders gefragt: Was verpasst ein Winzer/eine Winzerin, wenn er/sie konventionell produziert?
Es gibt ja in der Zwischenzeit viele «Naturweine» und der Begriff ist auch nicht geschützt. Man kann daher eigentlich auch «Natural Wine» machen, ohne biologisch zu produzieren. Daher ist das ein schwieriges Thema, denn der Begriff macht keine klare Aussage über das Produkt. Das war dann eigentlich auch der Grund, wieso ich «Birgit Pur» auf mein Etikett geschrieben habe. Weil ich mit meinem Namen dafür stehe.
Die Freude? Ja, warum mach ich das? Die Freude erlebe ich am meisten, wenn ich im Weingarten bin. Denn dort sehe und spüre ich, wie es meinen Pflanzen geht. Die Reben werden viel widerstandsfähiger. Wir hatten ein sehr kühles, nasses Jahr und danach ein trockenes, heisses Jahr und die Rebe hat sich angepasst. Sie hat sich adaptiert, weil wir mit dieser Form der Produktion das Immunsystem der Reben aufbauen konnten. Wir haben allgemein weniger Krankheiten an den Blättern und in den Trauben. Es ist immer wieder faszinierend und es berührt mich, wenn ich die Vitalität meiner Pflanzen sehe. Wenn ich die Blätter anfasse, dann sind sie frisch und saftig. Und wenn die Blätter schön kühl, saftig und voller Wasser sind und sich die frischen Triebe elastisch in der leichten Brise neigen, dann trotzen sie auch dem Sturm. Und diese Vitalität, das Frische und Saftige merkst du dann auch in den Weinen. Das bereitet Freude, oder mir bereitet es zumindest Freude. Weil es zum einen der Natur guttut, zum anderen aber eben auch der Wein davon profitiert.
Es ist immer wieder faszinierend und es berührt mich, wenn ich die Vitalität meiner Pflanzen sehe.
Anna: Und jetzt habe ich noch eine letzte Frage: Welcher ist dein Lieblingswein 2018?
Oh Gott, das ist schwierig! Mein Lieblingswein ist eigentlich jeweils der, den ich gerade trinke. Denn es gibt für jeden Moment und jede Stimmung das passende Glas. Ich bin überglücklich, dass der Jahrgang 2018 so schmeckt wie er schmeckt, weil es ein sehr trockenes Jahr war. Ich hatte schon etwas Sorge, dass der Wein dann auch etwas zu trocken wird. Aber da die Reben so vital waren und immer genug Nähstoffe hatten und auch die Gärung mit den Naturhefen gut verlief, sind alle Weine unglaublich harmonisch, sehr schön ausbalanciert und haben immer noch eine tolle Frische. Welcher Wein mir am besten schmeckt, kann ich wirklich nicht sagen, aber 2018 ist auf jeden Fall ein super Jahrgang!
Wenn sich die frischen Triebe elastisch in der leichten Brise neigen, dann trotzen sie auch dem Sturm.