Urs Fischer an der Fête des Vignerons

Herr des Chasselas
Louis Philippe Bovard ist unbestritten der «Grandseigneur du Chasselas». Im Alter von über 80 Jahren ist er noch immer unglaublich vital und dynamisch. Bei ihm habe ich den Eindruck, dass ein Leben nicht genügt, um alle Ideen und Pläne umzusetzen. Seit Jahren beschäftigt er sich mit der Verbesserung des Chasselas. Heute stammt 90 % des in der Schweiz angepflanzten Chasselas von demselben Klon. Eines seiner Hauptanliegen ist daher das Bewahren und Fördern von alten Schweizer Chasselas-Klonen, die vor der Reblaus-Krise kultiviert wurden und nachher leider verschwanden. In den letzten Jahrzehnten hat er in einem Sortengarten eine Sammlung von 180 (!) alten Chasselas-Klonen aufgebaut und damit experimentiert. Einige davon scheinen sehr interessant, wie beispielsweise der Giclet und der Bois Rouge, von denen wir Experimental-Vinifikationen degustieren konnten.

Nebst Chasselas experimentierte Bovard die letzten Jahrzehnte auch ausgiebig mit Sauvignon Blanc und hat heute mit dem Ribex und dem Buxus zwei Sauvignon Blancs im Loire-Stil im Angebot, die sich hervorragend als Speisebegleiter eignen. Und auch hier: was von Bovard kommt ist grossartige Winzerarbeit und bereitet viel Trinkspass.

Kultwein mit 114-jähriger Weinetikette
Sein Dezaley Medinette ist der Kultwein aus dem Lavaux. Das Etikett zeigt einen jungen Mann in einem Leopardenkostüm und einer Flasche Medinette in der Hand. Der Mann ist Philippe Bovard’s Grossvater, der an den Fête des Vignerons 1905 die Rolle des Bacchus spielte. Dieses Ereignis hat der geschäftige Winzer noch im selben Jahr auf der Weinetikette verewigt. Und das ist es heute noch – unverändert seit 114 Jahren. So kommt dem Dezaley Medinette an den Fête des Vignerons eine ganz spezielle Bedeutung zu.

Fête des Vignerons

Auszeichnung der besten Rebbergarbeiter
Der ursprüngliche Grund der Fête des Vignerons war die Auszeichnung von Winzern und Rebbergarbeitern, den Vignerons-Tâcherons. Die Arbeiter werden über das ganze Jahr hinweg kontrolliert und die Qualität ihrer Rebarbeit benotet. Diese Tradition hat auch heute noch Bestand. Als Höhepunkt des Festes werden die Vignerons-Tâcherons ausgezeichnet, die während den letzten fünf Jahren am besten benotet wurden. Die Reben von Bovard sind über die ganze Lavaux verteilt und werden von mehreren Personen betreut und bearbeitet. Dass Louis Philippe Bovard seine Reben in gute Hände legt, zeigen die Auszeichnung anlässlich des Fête des Vignerons 2019: seine Vignerons-Tâcherons erhielten gleich sechs Auszeichnungen: 1x Gold, 4 x Silber und 1 x Bronze!

Ein Erlebnis der Superlative
Falls du es dir einrichten kannst, mein Rat: Besuche einmal die Fête des Vignerons, ein unbeschreiblicher Anlass. Die nächste Gelegenheit hast du voraussichtlich zwischen Sommer 2039 und 2044. Klappt es nicht mit einem Besuch, tröste dich mit einer Flasche Dezaley Medinette und bestaune Grossvater Bovard im Leopardenkostüm. Es gibt Weine, die sind unvergänglich…

Die Fête des Vignerons: was, wann, warum?
Die Fête des Vignerons – das Fest der Winzer – findet alle 20 bis 25 Jahre in Vevey statt und ist eine Hommage an die Weinbaukultur der Region. Organisiert wird das Fest von der örtlichen Weinbruderschaft «Confrérie des vignerons». Was im 17. Jahrhundert mit einer schlichten Prozession im Anschluss an die Generalversammlung begann, ist heute ein Fest der Superlative. Seit 2016 gehört es zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO.

Vom 18. Juli bis 11. August 2019 wurde in der ganzen Stadt Vevey der Wein gefeiert. Herzstück der Fête des Vignerons ist die Krönung der Weinbauern und Rebarbeiter sowie eine spektakuläre Show in der 20‘000 Personen fassenden Arena.

Die Aufführung – eine Mischung aus Oper und olympischer Zeremonie – zeigt ein Jahr im Rebberg und ist eine 2.5-stündige Show der Superlative mit rund 6‘000 Mitwirkenden. Die Aufführung findet täglich statt. Das 3.5-wöchige Fest wurde in Vevey von rund 1 Million Menschen besucht.

Weitere Informationen findest du unter https://www.fetedesvignerons.ch